Den Raum füllen



1. „DEN RAUM FÜLLEN“

Eine basal einfache und überraschend vielschichtige hypnotische Übung


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füllen 0


Text 6

0. Intro

Es sind einige, eigentümliche Beobachtungen über die vielschichtigen Beziehungen zwischen dem Phänomen der „Trance“ und dem Raumerlebnis, die mich auf die Spur und schliesslich zur Entwicklung der Methode „Den Raum Füllen“ geführt haben.

Das Grundschema der Methode ist denkbar einfach und das Anwendungsfeld ebenso breit wie vielfältig. Kurz und kompakt zusammengefasst besteht ihr therapeutisches Wirkprinzip darin, dass ein ganz einfaches und grundlegendes Vitalgefühl, die eigene „Präsenz“, aktiviert und gestärkt wird.

Insofern gehört diese Methode in die Kategorie der Ich-stärkenden Methoden. Letztere stehen ohnehin – egal ob im explizit psychotherapeutischen oder in anderen Rahmen wie dem zahnärztlichen, dem perioperativen oder dem Schmerzbereich – immer im Zentrum jeglicher Arbeit mit Hypnose. Gleichzeitig trägt diese Technik auch dazu bei, die Basis der Bezugsstruktur zwischen Innenwelt und Aussenwelt auszuformen. Sie fördert somit auf einer ganz grundlegenden Ebene die Reifung der Beziehungsgestaltung, insbesondere im zwischenmenschlichen Bereich.

Im Rahmen von Therapiesitzungen findet sie als hypnotische Technik ein nahezu unbeschränktes Anwendungsfeld und kann durch beliebig viele aus der Kreativität des Moments geborene Varianten und Erweiterungen befruchtet werden. Auch im wachen, aktiven Alltag, ausserhalb der Sitzungen, findet sie ganz attraktive Anwendungsmöglichkeiten als denkbar einfach anzuwendende „Blitzübungen“ .


In einer Folge von mehreren Texten stelle ich diese Methode schrittweise vor:


1. Zur Illustration: das Beispiel von Herrn S.

Wer ist Herr S.?

Wir beginnen mit offenen Augen ...

Augen schliessen und das Aussen innen reproduzieren ...

Den eigenen Raum wahrnehmen ...

Den Raum füllen ...

Jetzt die Pflanzen ...

Dann der Therapeut ...

Und jetzt üben ...

Erste explorierende Attacke auf das Problem ...

Feierabend


2. Die Struktur und das Besondere der Methode

Die Struktur der Methode: das Grundrezept ...

Hinweise zu den einzelnen Schritten, "Ideen für die Zubereitung" und "Serviervorschläge"

3. Ein paar Besonderheiten der Methode ...

a) Fällt gleich als Erstes auf: Offene Augen! Ein Rückwärtsstart?

b) Hypnose, die nach aussen gewendet ist?

c) Auch aktiv sein kann zu Entspannung führen ...


4. ... noch weitere Besonderheiten der Methode

d) Sicherheit auf vielen Ebenen ...

e) Nehmen Sie Platz im Hier und Jetzt ...

f) back to reality ... oder die Realitätsprüfung

g) Entlastete Beziehungen ...







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Text 7

1. Zur Illustration:

Das Beispiel von Herrn S.

Wer ist Herr S.?

Auf der Kante des Lehnstuhls, nach vorne gebückt sitzend, schaut mich ein hochgewachsener, intelligenter, wacher, leicht schüchtern wirkender, aber erfolgreicher Geschäftsmann um die 35 Jahre alt, an. Nennen wir ihn Herrn S. Er hat mir schon in ausführlichen Worten erzählt, dass er seit Monaten jegliche Autofahrt durch Strassentunnels vermeiden muss, was nicht nur sein berufliches Leben sehr einschränkt sondern auch sein Selbstbewusstsein belastet. Geschäftlich kommt er nicht darum herum, fast täglich mit dem Wagen unterwegs zu sein, und jedes Mal packt ihn im Bauch schon beim Gedanken an die Möglichkeit eines Tunnels Panik.

Oft beginnt es auch schon zuhause, manchmal sogar schon beim schweissgebadeten Erwachen am Morgen früh. In der weiteren Schilderung stellt sich auch heraus, dass er seit Kindheit im Grunde nur ein einziges Lebensgefühl kennt: sich durch das Leben kämpfen zu müssen, ohne je irgendwelche, wirkliche Anerkennung für seine Bestrebungen zu erhalten. Entsprechend liegt es auch mit seinem Selbstwertgefühl ziemlich im Argen.

Er hat schon eine mehrjährige Gesprächspsychotherapie hinter sich, die ihm für seine Probleme viele einleuchtende Gründe aus seiner Kindheit aufgedeckt hat. Trotzdem fällt er immer wieder in ein unüberwindbares, emotionales Muster des in sich Zusammensackens hinein, am extremsten eben in Tunnels. Soweit die Ausgangslage, bevor wir in der dritten Sitzung die Arbeit mit dem „Raumfüllen“ beginnen.

Wir beginnen mit offenen Augen...

Die heutige Stunde eröffnet er einmal mehr mit der Schilderung seines panischen Vermeidens von Tunnels, nämlich wie er sich gestern wieder seiner Angst unterwerfen musste, und wie ihn jetzt seine Scham darüber erdrückt. Nach ein paar Sätzen, die mich ahnen lassen, welchen Verlauf die weitere Sitzung nimmt, wenn ich ihm einfach weiter zuhöre, unterbreche ich ihn unvermittelt (dies ist in meiner Arbeitsweise nichts Ungewöhnliches) und frage ihn zu seiner Verwunderung, ob er einverstanden sei, sich die Wand links neben ihm im Zimmer einmal genau anzuschauen, und dann die andern drei Wände des Sprechzimmers, eine nach der andern, dann den Boden und schliesslich die Decke. Er soll sie einfach nur genau betrachten und sich diese Bilder so intensiv und bewusst einprägen, wie es ihm gelingt. Etwas verdutzt aber folgsam sieht er in die Runde, lässt seinen Blick bei den verschiedenen Bildern und Photographien, bei den Fenstern kurz innehalten, als hätte er sie noch nie gesehen, und lehnt sich schliesslich zurück, mich mit fragendem Blick anschauend.


Augen schliessen und das Aussen innen reproduzieren ...

„Wenn Sie jetzt so weit sind, können Sie die Augen schliessen... und die eben gesehenen Bilder vom äusseren Raum“ er-innern“... Es geht in keiner Weise um einen Gedächtnistest, sondern es soll Sie lediglich darin festigen, den Raum, in dem wir uns befinden, auch mit geschlossenen Augen jetzt in Ihrem Geiste ganz bewusst präsent und lebendig zu erhalten.“ Herr S. zeigt mir nickend an, dass es ihm gelungen ist.


Den eigenen Raum wahrnehmen ...

Ich schlage ihm jetzt vor: „Versuchen Sie nun, die Weite des Raums, den Sie um sich herum als zu Ihnen gehörig erleben, zu erspüren ... gewissermassen Ihre eigene Raumblase... Wie weit oder wie eng fühlt sie sich an?“ Sein Gesichtsausdruck wird dabei zuerst andeutungsweise ernster, und aus seiner Antwort lässt sich entnehmen, dass die Ausdehnung seiner „privaten Raumblase“ nur wenige Zentimeter um seinen Körper herum reicht, also relativ eng anliegt.


Den Raum füllen ...

Hier ist der Moment für den Angelpunkt der Methode gekommen: Ich frage ihn: „Möchten Sie versuchen, Ihre Präsenz in den gesamten Raum dieses Sprechzimmers auszudehnen,... auszuweiten, ... bis der ganze Raum vollständig davon erfüllt ist, ... bis zu den vier Wänden, bis zur Decke und bis zum Boden? ... bis in alle acht Ecken?... so gut es Ihnen gelingt?... das Gefühl, voll und ganz in diesem Raum sein zu dürfen?... Können Sie sich bewusst machen, dass Ihre Gegenwart das ganze Zimmer füllt?“ Herr S. wirkt sehr konzentriert. Er sucht. „Vielleicht hilft Ihnen die Vorstellung einer Art von Ausstrahlung, die von Ihnen aus in dieses ganze Zimmer ausgesendet wird, ... oder dass sie mental in den Raum hineinsingen und ihn so mit Ihrer Stimme zum Schwingen bringen und füllen, ... oder ihn einfach mit Ihrer Atmung füllen, ... oder mit was Ihnen auch immer einfällt ...“. Allmählich entspannt sich sein Gesicht, und angedeutete Heiterkeit beginnt zu strahlen. Als Zeichen, dass es ihm gelungen ist, nickt er wieder langsam. Mit einem „Wunderbar!“ bestätige ich ihm, dass ich es gesehen habe, und mache weiter.


Jetzt die Pflanzen ...

Ich frage ihn, ob er sich vorstellen könne, der Pflanze links neben ihm auch zu erlauben, ihre Präsenz in den ganzen Raum ausstrahlen zu lassen: „Die Palme zu Ihrer Linken ist ja auch ein Lebewesen wie Sie, und ihre Gegenwart beeinflusst die Stimmung in diesem Raum massgeblich... Können Sie ihr erlauben, den ganzen Raum mit ihrer Präsenz ebenfalls zu füllen, genau gleich wie Sie es mit Ihrer Präsenz tun?“ Er nimmt die weit ausladende Fiederpalme neben ihm als freundschaftlichen Raumpartner wahr und freut sich über ihre Anwesenheit, die seine Präsenz bereichert. „Da ist noch eine zweite Pflanze rechts neben Ihnen. Darf sie das auch?“ Auch die Gegenwart des weissblühenden Einblatts stellt für ihn keinerlei Problem dar, im Gegenteil: Er gewinnt sichtlichen Spass an diesem Spiel. Das Sprechzimmer wird für ihn allmählich zu einem einzigen, grossen, lebendigen Raum, in dem er sich zusammen mit anderen Lebewesen gleichberechtigt und spielerisch ausbreiten darf.


Dann der Therapeut ...

Schliesslich bin auch ich ein Lebewesen und sitze im gleichen Raum wie er, und so nimmt es mich auch wunder, wie er meine Präsenz als Therapeut beziehungsweise als Homo sapiens im Raum wahrnimmt und zulässt. Ich frage ihn, ob auch ich den Raum mit meiner Präsenz füllen darf. Kein Problem für Herrn S.: Er freut sich über das Gefühl, gemeinsam mit mir und auf Augenhöhe – dabei jeder doch an seinem richtigen Platz – den Raum füllen zu können. Und er fühlt sich gestärkt.


Und jetzt üben ...

Hier könnten wir grundsätzlich die Übung beenden, und sie würde schon als wirksame Ich-Stärkung erfreuliche Spuren hinterlassen. Ich vergesse aber nicht, dass ich vorhin Herrn S. beim Erzählen von seiner Tunnelphobie unterbrochen habe, und greife deshalb sein Thema wieder auf. Ich lasse ihn zuerst noch ein kleine Weile mit seinen Präsenzen im Raum spielen, um es in seiner Tiefe wirken zu lassen, und schlage dann folgendes vor: „Stellen Sie sich vor, wie Sie nach Ende der Sitzung diesen Raum durch die Zimmertüre verlassen und den Gang betreten werden ... Können Sie sich vorstellen, wie Sie dann mit offenen Augen diesen Eingangsraum mit Ihrer Präsenz füllen werden, ... und dann das Treppenhaus, ... dann den Hof, ... die Strasse und schliesslich jeden offenen oder geschlossenen Raum, den Sie betreten? ... einfach so, als Spiel?“ Offensichtlich gefällt ihm diese Idee, und so gehe ich noch einen Schritt weiter:

Erste explorierende Attacke auf das Problem ...

„Auch Tunnels sind eigentlich Räume,... und die kann man auch mit der eigenen Präsenz füllen... Wären Sie einverstanden, sich jetzt einen Tunnel vorzustellen ... seine Länge können Sie sich frei aussuchen ... Sie sitzen in Ihrem Auto ... Sie nähern sich seinem Eingang ... und noch bevor Sie in den Tunnel hineinstechen, füllen Sie ihn bis zu seinem Ausgang mit Ihrer Präsenz ... voll und ganz ... genau gleich wie jetzt das Sprechzimmer ...

... der ganze Tunnel ist jetzt mit Ihrer Präsenz gefüllt ... Und es fahren mehrere Autos, wie Sie auch, in diesem Tunnel ... und jeder Autofahrer füllt mit seiner Präsenz auch den ganzen Raum des Tunnels ... wie die Pflanzen hier im Sprechzimmer... und zusammen erfüllen Sie den Tunnel mit buntem Leben ..."

Herr S. verweilt lange Minuten schweigend in diese Aufgabe vertieft. Seine anfänglich leicht angespannte Mimik hellt sich zusehends auf.


Feierabend ...

Nun darf sich Herr S. weiterhin so viel Musse nehmen, wie er will, bis er einen guten Abschluss für seine Trance findet und bereit ist, zum normalen Wachzustand zurückzukehren. Die Stunde ist zu Ende gekommen und alles ist in Ordnung. Es braucht keine Besprechung des Erlebten, und wir verabschieden uns nach der Vereinbarung des nächsten Termins.

Zuhause und im Alltag übte Herr S. mit grosser Motivation, füllte ganz viele Räume und es machte ihm Spass. Er konnte sehr bald wieder durch Tunnels fahren, was ihn sehr erleichterte und mit Stolz erfüllte. Doch damit war das Ende seiner Psychotherapie noch nicht erreicht. Wir arbeiteten in der Folge weiter an Themen seiner Vergangenheit, wo auch immer wieder „Den Raum füllen“ zur Anwendung kam. Doch davon in einem späteren Text...

Die Methode „Den Raum füllen“ bedarf noch einiger theoretischer und praktischer Erläuterungen. Die nun folgenden Texte werden zuerst auf besondere Aspekte hinweisen und sie diskutieren, und dann gehen wir systematisch und mit der Lupe durch die einzelnen Schritte der Methode.



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s. Diskussionsbeiträge (Home -> Diskussion) vom

13.09.2018 Dr.med. M.C.

11.10.2023 lic.phil. E.D., Kursteilnehmerin

26.11.2023 Kollegin L.E.






Techniken 1Den Raum
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Text 8

2. Die Struktur der Methode

und praktische Rezepte

Herrn S.’ engagierte Arbeit an seiner Tunnelphobie (Text Nr. 7) haben Sie noch in Erinnerung: wie er begann, seinen Platz im Sprechzimmer mental einzunehmen, seine persönliche Präsenz darin zu stärken und ausstrahlen zu lassen, und wie sich das Üben schliesslich auf seine Ängste günstig auswirkte.

Jetzt ist es Zeit, dass wir das, was wir von seiner Sitzung miterlebt haben, etwas aus der Distanz betrachten. Ganz aus der Ferne, aus der Vogelschau, zuerst eine kurze, kompakte Auflistung der einzelnen Schritte, die das Gerüst der Methode aufzeigt, und dann, gewissermassen als Fleisch um die Knochen herum, ein paar ganz konkrete Hinweise für die praktische Durchführung. In späteren Texten werden wir uns Zeit nehmen, uns vertiefter Gedanken zu den einzelnen Schritten zu machen und in Ruhe zu verdauen.


Die Struktur der Methode: das Grundrezept...




1. Man nehme einen Patienten1 mit offenen Augen.

2. Man lasse ihn das Zimmer mit den vier Wänden, der Decke und dem Boden genau betrachten.

3. Alsdann lasse man ihn mit geschlossenen Augen das Bild des Zimmers aus der Erinnerung reproduzieren und „er-innern“.

4. Man lasse ihn seinen eigenen, persönlich genutzten/beanspruchten subjektiven Raum erspüren.

5. Man lasse ihn als nächstes das ganze Volumen des umgebenden Raumes mit seiner eigenen Präsenz füllen.

6. Schliesslich lade man ihn ein, andere im Zimmer befindliche Lebewesen gleichermassen den Raum füllen zu lassen.

7. Man lasse das Ganze eine angemessene Zeit schmoren.

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1 Mensch, der leidet und kompetente Hilfe sucht



Hinweise

Zu den Schritten 1 und 2

"Ideen für die Zubereitung ..."

Der Patient bedarf für den Einstieg in die Methode „Den Raum füllen“ keiner besonderen Vorbereitung. Ich selber warte am liebsten einen geeigneten Moment ab und unterbreche das laufende Gespräch oder die Schilderung des Patienten – nicht unhöflich oder überrumpelnd, aber überraschend und klar. Besonders eignen sich zwei Situationen: Entweder flaue, vor sich hin plätschernde oder sich festfahrende Phasen des Argumentierens, oder wenn sich in einem bisher trockenen Gespräch Anzeichen aufkeimender Emotion zu zeigen beginnen, also Momente einer Wende vom Denken zum Erleben hin.

Nichts spricht aber dagegen, wenn es einem Therapeuten besser liegt, den Patient über die Absicht, die Methode, das Ziel, den möglichen Gewinn usw. im voraus aufzuklären. Es gibt wohl für diese Art von Vorgehen keine absolute Indikation, die sich von Seiten der Patientensituation aufdrängen würde, sondern die Rechtfertigungsgründe liegen darin, dass sich ein Therapeut in dem, was er tut, sicher fühlen soll.

Es ist übrigens schon vorgekommen, dass ich einen Patienten, in der Absicht, ihn den Raum füllen zu lassen, fragte, ob er jetzt mit einer Hypnose einverstanden sei, und ehe ich es mich versah, waren seine Augen fest geschlossen, seine Arme und Beine ausgestreckt, und er... weg, in eine für mich unerreichbare Trance. Da steckt man in einem Dilemma: Stopp schreien oder Strategie wechseln...?

„Serviervorschlag ...“

„Sind Sie einverstanden, sich jetzt die Wand links neben Ihnen einmal genau anzuschauen? ... Es geht überhaupt nicht darum, einen Gedächtnistest zu bestehen... sondern lediglich darum, dass Sie sich dieses Bild möglichst lebendig und auf Ihre Art einprägen... sehr gut...Und können Sie jetzt dasselbe mit der nächsten Wand tun?... Betrachten Sie sie in Ruhe... Und dann die dritte Wand... und dann die vierte... und jetzt noch die Decke... und den Boden... Wunderbar!... Es geht einfach darum, den gesamten Raum dieses Zimmers,... in dem Sie sich jetzt befinden,... möglichst als Ganzes zu erfassen.“

Zu Schritt 3

"Ideen für die Zubereitung ..."

In aller Regel lassen sich die Patienten diskussionslos auf den Augenschluss ein. Der „Beunruhigungsfaktor“ unserer Suggestionen ist ja bis jetzt auch absolut minimal geblieben. Zudem ist jedem Menschen vertraut, dass man ganz natürlicherweise und von sich aus die winzige Geste mit dem Sinken lassen der Augenlider macht, um etwas aus einem momentan widerspenstigen Gedächtnis wieder heraus zu graben, .

Lässt die Mimik des Patienten vermuten, dass er sich unter Druck zu setzen beginnt und sich abmüht, die Abgrenzungen des Raums allzu perfektionistisch genau und detailliert zu reproduzieren, so hilft ihm vielleicht schon die kurze Erinnerung daran, dass wir keinen Gedächtnistest machen. Bleibt er aber bei seiner sauberen Arbeitsmoral, so können wir ihn im Sinn des „konsequenten, interaktiven Explorierens“ (Texte Nr. 1ff) unterstützen, er solle es ruhig genau so genau machen, wie es für ihn wichtig ist, und wir betonen das „für ihn“. Ziemlich sicher werden ja die Hintergründe seines Perfektionismus einmal interessant werden...

„Serviervorschlag...“

„Sind Sie einverstanden, die Augen jetzt zu schliessen... wunderbar... und jetzt die erste Wand, die Sie soeben betrachtet haben, wieder als Bild zu erinnern? ... dann die zweite Wand erinnern... dann dasselbe mit der dritten... mit der Decke... und mit dem Boden?... Einfach nur so gut wie es Ihnen jetzt gelingt... so, dass Sie sich auch mit geschlossenen Augen ganz in diesem Zimmer wiederfinden ...“

Zu Schritt 4

"Ideen für die Zubereitung ..."

Es geht nicht um eine Suggestion, die eine Veränderung impliziert, sondern nur um ein Bewusstwerden des Ist-Zustands. Insbesondere mit geschlossenen Augen ist das Erleben unserer eigenen Person nicht durch die Haut begrenzt. Ein Teil des umgebenden Raumes gehört subjektiv immer auch zu uns. Die Weite dieser „subjektiven Raumblase“ wird nicht etwa durch Faktoren aus der Aussenwelt bestimmt, sondern ausschliesslich durch die innere Befindlichkeit. Ganz grob formuliert: Je wohler ich mich fühle, desto weiter, je mehr in mir zusammengefallen, desto enger.

„Serviervorschlag...“

„Nun können Sie der Frage nachgehen, wie viel Raum Sie jetzt um sich herum gefühlsmässig einnehmen... wie viel Raum gewissermassen jetzt zu Ihnen gehört.“

Zu Schritt 5

" Ideen für die Zubereitung..."

Die meisten Patienten verstehen, was mit dem etwas abstrakt tönenden Wort „Präsenz“ gemeint ist: ein intensives, ausstrahlendes Hier-sein. Ansonsten kann man es mit Metaphern (eigene Farbe, Klang...) umschreiben oder mit nachvollziehbaren Beispielen (Bühnenpräsenz...) erläutern.

„Serviervorschlag...“

„Ich schlage Ihnen jetzt vor, Ihre Präsenz... ich meine damit das Gefühl und das Bewusstsein, in diesem Raum ganz da zu sein... ganz auf Ihre Art dasein zu dürfen ... das Gefühl, in diesem Raum und auf diesen Raum eine Wirkung zu haben... ich schlage Ihnen vor, dieses Gefühl der Präsenz jetzt auszudehnen... auszuweiten... in dieses ganze Zimmer hinein... ausstrahlen zu lassen... bis Sie den gesamten Raum mit Ihrer Präsenz füllen... bis hinaus in alle 8 Ecken.“

Zu Schritt 6

" Ideen für die Zubereitung..."

Pflanzen in einem Zimmer bedeuten grundsätzlich keine Bedrohung (nicht einmal die fleischfressenden), sondern eine Bereicherung der Lebendigkeit im Raum. In diesem Sinn sind sie auch in der Lage, die Atmosphäre in einem Zimmer, welches schon mit der Präsenz des Patienten gefüllt ist, mit ihrer zusätzlichen Präsenz zu „würzen“.

Normalerweise verbinden sich die Präsenzen ganz natürlich. Nicht selten entsteht aber in der Phantasie des Patienten ein innerer „Territorialkampf“, in dem die Pflanze den Frieden stört und gewissermassen Raum zu stehlen beginnt. Hier reicht meist eine kurze Bemerkung wie „Spannend: Die Zimmerpalme, die vorher ganz harmlos neben Ihnen stand, bedroht Sie jetzt?“, um einen Anpassungsprozess im Patienten einzuleiten. Wenn das nicht reicht, können wir es, wie immer, als Material für das weitere Explorieren betrachten...

Persönlicher, intensiver, ja intimer wird es mit der Präsenz des Therapeuten. Die emotionalen Interaktionen sind komplexer. So erfordert der Vorschlag von Seiten des Therapeuten, sich einzubringen, recht feines Fingerspitzengefühl. Dafür wird das Zusammenfinden dieser beiden Präsenzen zu einer besonders aufschlussreichen und bereichernden Erfahrung.

„Serviervorschlag...“

1. „Sind Sie einverstanden, einer Pflanze in diesem Zimmer zu erlauben, dass auch sie das gesamte Sprechzimmer mit ihrer Präsenz füllt, genau so wie Sie es soeben mit Ihrer Präsenz getan haben...und gleichzeitig wie Sie?“

2. „Sind Sie einverstanden, dass sich jetzt zusammen mit Ihrer Präsenz im ganzen Raum... und mit den Pflanzen... auch meine Präsenz in den gesamten Raum hinein ausbreiten kann?“

Zu Schritt 7

Motivieren Sie den Patienten zu üben.

Ablaufdatum:

Best before: End of therapy.




Techniken 1Den Raum
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Text 9

3. Ein paar Besonderheiten der Methode...

a) Fällt gleich als Erstes auf: Offene Augen! Ein Rückwärtsstart?

Bei dieser Methode ist die erste Einladung nicht etwa, die Augen zu schliessen oder einen bestimmten Punkt zu fixieren, auch nicht, sich auf die Atmung oder auf andere Körperwahrnehmungen zu achten, sondern das Umgekehrte, mit wachen Augen den umgebenden Raum detailliert zu betrachten und sich ihn einzuprägen. Dadurch bewirken wir zunächst das Gegenteil von Hypnoid, Introversion oder Entspannung: Wir regen eine extravertierte, wache Aufmerksamkeit an. Auch physisch geht es zunächst in Gegenrichtung der Entspannung: Die Patienten müssen sich körperlich bewegen, denn sie können die Wand hinter sich nicht sehen, ohne ein bisschen im Stuhl rumzuturnen. Also nichts zu tun mit einer hypnotischen Induktion? Scheinbar. Das Spiel wird zwar mit einem Start in umgekehrter Zielrichtung eröffnet, aber das Ziel bleibt – wie immer in der Hypnose – eine Hinwendung zur Innenwelt. Wozu also dieser extravagante hypnotische Fallrückzieher?

Die französische Sprache kennt einen wunderbaren und äusserst sinnreichen Spruch: „Reculer pour mieux sauter.“ (zurückschreiten, um besser springen zu können). Gemeint ist: Wer mit der Nase an der Hürde steht, verunmöglicht sich den Sprung darüber. Erst wenn man sich überwinden kann, ein paar Schritte zurückzutreten, sich also in Gegenrichtung zum Ziel zu bewegen, eröffnet sich die erlösende Möglichkeit, mit Anlauf vorzustürmen. Dann lässt sich das Hindernis viel leichter nehmen.

Auf die Situation der Hypnose übertragen: Wie viele verzweifelte Patienten erhoffen sich ganz Grosses von der Hypnose und möchten sie deshalb unbedingt haben. Gleichzeitig sind aber ihre Vorstellungen davon unklar und werden dann im Angesicht der drohenden, realen Verwirklichung nicht nur zur Ungewissheit, sondern zur blanken Angst davor. Ahnungsvolle Schreckensbilder von Kontrollverlust oder ähnlichen Entsetzlichkeiten türmen sich vor ihnen. Unter diesen Umständen kann schon das blosse Schliessen der Augen zu einem Ding der Unmöglichkeit werden. Mit seinem selbstgefertigten psychischen Druck steht der Patient wirklich mit der Nase vor der Wand seiner Angst. Da helfen besänftigende Worte und erklärende Argumente nicht viel. Ist die Hürde zu hoch, lässt sich eine Angst nicht einfach mir nichts dir nichts überhüpfen.

Also wird es hier am hilfreichsten sein, von dieser blockierenden Wand etwas Abstand zu nehmen, ohne aber das Ziel aus den Augen zu verlieren. Genau das beabsichtigen wir mit dem Patienten, indem wir anregen, sich zuerst in aller Ruhe und Offenheit der äusseren Realität zuzuwenden. So kann er sich darin genügend absichern und für einen Augenblick die kommende Hypnose aus einer anderen Warte betrachten. Dazu kommt, wenn man einen vertrauten Raum ganz bewusst „mit neuen Augen“ anschaut – versuchen Sie es einmal mit Ihrer Stube oder Ihrem Schlafzimmer zuhause – als wäre man noch nie da gewesen, dann erscheint er plötzlich in einem gänzlich andern Licht, was genau genommen bedeutet, dass man in einer Trance ist. So etwa ergeht es unseren ängstlichen Patienten, und so vermögen sie den ersten Schritt ins Ungewisse etwas mutiger zu wagen.

b) Hypnose, die nach aussen gewendet ist?

Wie schon erwähnt, steht „Hypnose“ eigentlich für Introversion, für Abwendung von den Dingen der Aussenwelt hin zum eigenen Innern. In der Methode „Den Raum füllen“ bleibt aber ununterbrochenen, von Anfang an bis zum Schluss, konsequent durch alle Stationen hindurch, die Hinwendung zur Aussenwelt im Fokus: Zuerst der wache Blick mit offenen Augen auf die umgebende Aussenwelt, dann hinter geschlossenen Augen die Gestaltung der Bilder von der Aussenwelt , dann die Verbindung der inneren Befindlichkeit mit unserem Bild der Aussenwelt und schliesslich das Füllen der äusseren Welt mit der eigenen Präsenz.

Genauer betrachtet besteht zwischen dieser ungewöhnlichen Extraversion und dem Anspruch der Hypnose kein wirklicher Widerspruch. Beim „Raum füllen“ beschäftigen wir uns nämlich vom Moment des Augenschlusses an nicht mehr mit dem realen Aussenraum sondern mit den dazugehörigen inneren Bildern. Der direkte Kontakt mit dem Aussenraum über die physischen Sinne ist gekappt und wir arbeiten in den Bildern... wie immer in der Hypnose.

Diese permanente mentale Verbindung mit dem Aussen ist auch sinnvoll, wenn wir bedenken, dass wir die in der Hypnose erarbeiteten Gefühlsqualitäten nachher in der realen Welt wieder einfliessen lassen wollen. Die Umsetzung fällt sehr viel leichter wenn die „Nabelschnur“ zur Szene der Aussenwelt immer spürbar bleiben konnte.

Ein fast nebensächlicher Beleg dafür, dass diese konstante Verknüpfung des hypnotischen Erlebens mit der äusseren Realität wirklich eine Wirkung hat, zeigt sich in einem Detail: Die Patienten müssen sich beim Wiederauftauchen aus dieser Trance kaum je die Augen reiben. Denn das Wiedererscheinen der realen Umgebung kommt nicht plötzlich und überraschend. Sie war ja die ganze Zeit präsent.


c) Auch aktiv sein kann zu Entspannung führen ...

Dass Entspannung durch vorherige Anspannung erwirkt werden kann, ist von der sportlichen Betätigung allgemein bekannt. Auch beispielweise die Progressive Muskelrelaxation macht sich unter anderem dieses Phänomen zunutze. Alte hypnotische Induktionsmethoden arbeiteten teils auch mit Anspannungen, sei es der Atmung (man liess Menschen hyperventilieren) oder der Augen (insbesondere das Fixieren in Blickrichtung nach oben). In all diesen Fällen geht es aber um die Induktion durch Anspannung.

Die Methode „Den Raum füllen“ setzt durchwegs auf Aktivität, nicht nur in der Induktion, sondern besonders in der Trance selber: Schritt 1 verlangt vom Hypnotisanden eine aktive, aufmerksame Betrachtung des Raums; in Schritt 2 muss das Gesehene aktiv in Bildern rekonstruiert werden; die Aufforderung in Schritt 4, den Raum zu füllen, erfordert eine intensive innere Aktivität, denn der Raum füllt sich nicht von selbst; auch Schritt 5 ist aktiv, indem er andere Lebewesen mit einbezieht. Ohne aktives Zutun des Patienten geschieht also nichts beim „Raum füllen“, auch wenn alles paradoxerweise in Trance geschieht. Und doch fühlen sich Patienten nach einer solch aktiven Trance eigentlich immer erholt, mit mehr Elan, manchmal sogar besser als nach einer Entspannung.

Die Art der Aktivität ist hier natürlich eine ganz besondere. Von aussen unsichtbar zeigt sie sich nicht als Bewegung oder durch „Schweiss, Tränen und Triumphe“. Eine stille, ruhige Kraft, weit entfernt von jeglichem Aktivismus. Sie führt auch nicht zu Ermüdung, sondern wirkt ausgesprochen vitalisierend und sogar entspannend.

Diese doch recht einzigartige Verbindung von Trance und Aktivität macht die Methode „Den Raum füllen“ besonders interessant, wenn therapeutische Einladungen, die in Richtung Passivität weisen, besser vermieden werden: Man denke hier an Problematiken rund um Abhängigkeit, Antriebslosigkeit, Interesselosigkeit, fixierte Opferhaltungen oder andere, passive Persönlichkeitszüge, wo ein „Sich-gehen-lassen“ die Pinne nicht unbedingt in die richtige Richtung zieht.



Techniken 1Den Raum
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Text 12

4. ... noch weitere Besonderheiten der Methode

d) Sicherheit auf vielen Ebenen ...

Alles ganz normal ...

In aller Ruhe einfach um sich herum gucken und sich Wände anschauen, ist wohl – ausser bei einer Wohnungsbesichtigung – nicht unbedingt eine alltägliche Beschäftigung, und dennoch birgt die Einladung dazu nichts Extravagantes oder Bedrohliches in sich. Wenn wir das in einem therapeutischen Rahmen einbringen, ist klar, dass wir damit irgendeine Absicht verfolgen, und das spürt der Patient zweifellos. Aber als Mittel und Weg, um ein unbekanntes Ziel anzupeilen, erscheint diese Aufforderung doch recht sicher und normal.

Auf diese Weise legen wir dem Patienten, einem unausgesprochenen Ähnlichkeitsprinzip gemäss (also als indirekte Suggestion), sogar nahe, dass das Einsteigen in die Hypnose eine ebenso normale und natürliche Sache sein wird wie das Herumschauen im Zimmer.

Zudem darf sich der Patient beim Herumschauen solange verweilen, wie er will, und sich dann erst verabschieden, wenn es für ihn stimmig ist. Hiermit suggerieren wir auch wieder indirekt, dass der Patient seine volle Autonomie bewahrt. Alles bleibt unter Kontrolle und alles bleibt normal. Wo um mich herum alles Normalität ist, da fühle ich mich auch geborgen.

Der „Hidden Observer“ erhält Verstärkung

„Hidden Observer“ (zu deutsch „der versteckte Beobachter“) ist nicht, wie sein Name befürchten lässt, eine finstere Schattengestalt aus einem schummrigen Spionagefilm. Weit gefehlt! Er ist ein ganz braver und nützlicher Junge, sogar eine Art kleiner Schutzengel in der Trance. Einem Engel gleich bleibt er immer unsichtbar, ist aber immer da, wenn es ihn braucht. Und er schützt. Ohne ihn würde die Hypnose in mancher gefahrvollen Lage in verhängnisvolle Geschichten entarten.

In wissenschaftlicher Sprache handelt es sich beim „Hidden Observer“ um einen versteckten, d.h. nicht zu Bewusstsein gelangenden Persönlichkeitsanteil, der in der Trance entsteht, und der durchgehend den Bezug zur objektiven Realität sicherstellt. Er sorgt dafür, dass eine Person auch in tiefster somnambuler, „selbstvergessener“ Hypnose den Kontakt zur äusseren Realität nie gänzlich verliert, wenn auch völlig ausserhalb des Bewusstseins.

Grosse Forscher wie M. Erickson, E. Hilgard und M. Orne konnten nachweisen, dass er sich nie ausschalten lässt und seine Rolle als eine Art „unbewusste Nabelschnur zur Realität“ unter allen Umständen erfüllt. Eine entscheidende Rolle spielt er natürlich in forensischen Fragen rund um die Hypnose. Aber wichtig ist das Wissen um seine Existenz auch im therapeutischen Alltag. Wüssten ängstliche Patienten um ihn und könnten sie an ihn glauben, würde Manchem der Einstieg in die Hypnose einfacher fallen ...

Der „Hidden Observer“ spielt in der Methode „Den Raum füllen“ nicht nur mit, sondern er findet durch sie auch massiv Unterstützung. Das Einprägen der äusseren Realität festigt die unbewusste Bindung an die aktuelle Realität. Metaphorisch ausgedrückt wird das Bewusstsein der äusseren Realität gewissermassen in dieser Übung mit in die Tiefe genommen, wo es dann, in der Ferne der Versenkung, zum „Hidden Observer“ wird. Diese Ankerkette trägt auf diese Weise auch zum Sicherheitsgefühl des Patienten bei.


Der reale „Safe Place“ kommt ins Spiel

Ohne einen sicheren Rahmen geht in der Hypnose gar nichts. Ohne das Gefühl von Sicherheit lauert die Gefahr einer Retraumatisierung. Deshalb nimmt der Begriff des „Safe place“ in der Hypnosetherapie einen besonderen Platz, eine Art Kultstellung ein, besonders in der Traumabehandlung. Der „Safe Place“ steht üblicherweise für ein inneres Bild des Patienten, das mit einem Gefühl von Geborgenheit verbunden ist und in der Trance „installiert“ und gleichzeitig aktiviert wird. Inhaltlich bezieht es sich auf entsprechende Erinnerungen oder Wunschphantasien – eine prägende Ferienerinnerung, das Grosselternhaus, ein Pferdestall, ein Bergsee usw. Ein „Safe Place“ verbildlicht also eine innere Ressource. Aber – und es gibt ein aber – immer handelt es sich dabei um etwas, was im Hier und Jetzt der Realität nicht vorhanden ist.

Das Hier und Jetzt, in dem die Hypnose stattfindet, ist aber grundsätzlich auch ein „Safe Place“ – ein echter „Safe Place“,„materiell abgesichert“, nicht nur imaginiert – bestehend aus dem Sprechzimmer und aus der Präsenz des Therapeuten. Beides ist vertraut und sicher (sonst gibt es noch zu tun...) und wird in der Übung „Den Raum füllen“ gründlich und nachhaltig aktiviert: der Raum via Blick, der Therapeut via Stimme.

Das wenn auch nur unbewusste Wissen um die Präsenz der äusseren Realität als „Safe Place“ kann oft überaus hilfreich wirken, wenn beispielsweise im Verlauf der Trance eine emotional schwierige Situation aufkommt und der Patient droht, den Boden unter den Füssen zu verlieren. Dann ist es gut, diesen aktuellen, äusseren, realen, sicheren Ort bewusst auf die Reise mit ins Gepäck genommen zu haben.


e) Nehmen Sie Platz im Hier und Jetzt ...

Wo wir bisher vom „Raumfüllen“ sprachen, immer wieder kam das „Hier und Jetzt“ irgendwie ins Spiel. Die fundamentale Bedeutung des Hier und Jetzt in der Psychotherapie und im Leben überhaupt vertieft zu erörtern, würde den Rahmen dieses Textes sprengen. Klar ist jedenfalls: Das Leben findet immer im Hier und Jetzt statt. Auch in der Trance. Genau betrachtet erlebt ja ein Patient sogar in einer hypnotischen Altersregression seine Vergangenheit immer im Hier und Jetzt. Die eigentliche „Wirksubstanz“ solcher „Rückführungen“ ist letztlich, dass die reaktivierten inneren Bilder aus der Vergangenheit gewissermassen ein „Heilbad“ in der wirklichen Gegenwart erfahren, und so „lernen“, sich das Kleid des Vergangenen wirklich anzuziehen und nicht immer wieder so zu tun als wären sie noch brandaktuell.

In diesem Sinn stellt der Einstieg der Methode „Den Raum füllen“ – wie auch der ganze weitere Ablauf – eine explizite Verankerung des Bewusstseins im „Hier und Jetzt“ dar, intensiver kann man sie sich kaum vorstellen. Traumaarbeit kann wenn nötig darauf zurückgreifen im Sinne, dass der Therapeut beruhigend feststellen kann: „Sie sind hier im Sprechzimmer und erleben Bilder, die der Vergangenheit angehören.“ oder ähnlich. Hilfreich kann auch sein, den Abschluss einer Trance mit einem Rundblick in den Raum zu vollenden. Wirkt nicht nur konsolidierend sondern erst noch ästhetisch durch Symmetrie ...

Wer das „Raumfüllen“ für sich im wachen Alltag anwendet und beispielsweise, ohne irgendeine Induktion, einen Raum, den er betritt, mit offenen, bewussten Augen ganz mit seiner Präsenz füllt, der bettet sich automatisch ganz anders in das Hier und Jetzt seiner Situation ein. Ganz besonders hilfreich kann es werden, wenn einen in diesem Raum eine schwierige Begegnung erwartet. Die sorgenvollen Phantasien und das Grübeln haben automatisch weniger Platz, und es öffnet sich ein Horizont für realistische Lösungen.


f) back to reality ... oder die Realitätsprüfung

Angststörungen, Zwangsstörungen, Depressionen, auch posttraumatische Belastungsstörungen haben eine wichtige Gemeinsamkeit: eine Lücke in der Realitätsprüfung. Im Lebensbereich, der durch das Symptom betroffen ist, wird der Patient zum Opfer eines unkontrollierten Kopfkinos. Befürchtungen erfahren keine Realitätsprüfung mehr hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit des Eintretensfalls, sondern werden emotional gleich als bare Münze gehandelt: Einzig das Desaster erscheint sicher (In Herrn S. löste allein schon ein fast unmerklicher Gedanke an Strassentunnels – in der Realität durchaus nützliche, sichere und harmlose Bauwerke – terrorisierende und unkontrollierbare Katastrophengefühle aus – siehe Text Nr. 7). Auch die Vermeidungsstrategien werden kaum mehr auf ihre reale Effektivität hin untersucht, sondern sie laufen mehr oder weniger planlos und automatisch ab.

Zu einer wirksamen Behandlung solch beeinträchtigender Zustände gehören unbedingt auch Massnahmen, welche die Realitätsprüfung kraftvoll unterstützen. Es geht ja primär darum, den Schrecken der inneren Bilder auszuhalten. Dies braucht Kraft. Die Methode „Den Raum füllen“ drängt sich für eine solche Stärkung auf, sowohl durch ihre ununterbrochene Orientierung zur äusseren Realität wie auch durch das Füllen des Raumes mit Präsenz (darin steckt Kraft!). Sie erhebt natürlich nicht den Anspruch, mit schweren Problemen rasch aufzuräumen, aber sie kann hier eine besonders kräftige Hand bieten. Je intensiver die sichere, äussere Realität mit in die Trance einbezogen wird, desto wirkungsvoller kann sie den lädierten Realitätssinn stärken und somit beisteuern, Ängste zu mindern.


g) Entlastete Beziehungen ...

Auf dem Kinderspielplatz hören wir wütendes Geschrei: „Das ist meeein Spielzeug, nicht deins!!“ Oder wir stossen vor einem Garteneingang an ein aufdringliches Plakat: „PRIVAT. Zutritt verboten“. Schon ganz früh lernen wir zu unterscheiden, wo der Andere bei mir nichts zu suchen hat, und umgekehrt. Man spricht von Grenzen. Diese sind im Umgang mit Artgenossen absolut zentral, um sich in den verschiedenen Territorien zurechtzufinden. Sie begründen psychologisch gesehen die sogenannten Objektbeziehungen bzw. die Unterscheidung zwischen Ich und Du. Psychotherapeuten ermuntern daher ihre Patienten immer wieder gerne, zu lernen „sich abzugrenzen“ – aber ...

Daneben gibt es noch eine andere Ebene der Begegnung bzw. einen anderen Modus der Beziehung. Dieser hat seinen Ursprung in der Mutter-Kleinkind-Beziehung. Die Fachsprache spricht hier von Symbiose oder von Mutter-Kind-Konstellation. Der Ich-Du-Unterschied ist in dieser Phase der Entwicklung noch nicht ausgeformt, und ein verschmolzenes „Wir“ dominiert das Zusammensein.

Zwischen der zusammenführenden, symbiotischen Beziehungsebene und der trennenden Objektbeziehungsebene besteht nicht ein Entweder-Oder-Verhältnis. Immer sind beide gleichzeitig und komplementär wirksam. Je nach Situation herrscht die eine oder die andere vor. Im schützenden Territorialkampf dominiert das Trennende, und im harmonischen Beisammensein das Verschmelzende. Immer wirkt Beides.

Durch das gleichzeitige Füllen des gemeinsamen Raums mit der Präsenz des Anderen und der meinigen baue ich also einen ganz besonderen inneren Rahmen für Begegnungen auf, vornehmlich für solche, die versprechen, mit Aggressionen verbunden zu sein: Ich muss unter dem Druck der Präsenz des Andern mein Teilterritorium im Raum nicht mehr reduzieren, um es dann zähe verteidigen zu müssen, wodurch dann viel Unsachliches hineinströmt.. Mental öffne ich uns beiden gemeinsam den gesamten Raum. Es entsteht darin eine Art atmosphärischer Symbiose, auf deren Grundlage die möglicherweise aggressiv verlaufende Auseinandersetzung anders, konstruktiver stattfinden kann.